Start Reisen 970 km nonstop

970 km nonstop

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Auch in diesem Jahr steht eine Langstrecke auf der Agenda. Nach den geschlossenen Grenzen in den letzten Monaten ist es was besonderes, den Brenner zu passieren und über Verona bis nach Rom durchzufahren. 970 Kilometer erwarten uns.

Morgens 9 Uhr starten wir im Münchner Osten und absolvieren die Etappen bis Bozen über Lenggries, Schwaz, Innsbruck und Brenner wie geplant. Nach 12 Stunden treffen wir unsere Südtiroler Freunde im Römer-Keller zu Pizza und Pasta. Diese kleine Auszeit stärkt Körper und Geist. Die Entfernung dehnt sich indes unermeßlich aus, dass ich sie mir nicht vorstellen kann.

Noch geht es auf bekanntem Terrain weiter. Am Bicigrill am Radweg kurz nach Salurn hören wir laute Musik und machen Halt für ein Getränk. Hier wird gefeiert. Es ist bereits nach Mitternacht. Gegenwind bläst uns danach bis Trento entgegen. „Oh nein, hoffentlich nicht bis Verona“, denke ich.

Der Wind legt sich tatsächlich. Rovereto ist die letzte Station zum Wasseraufnehmen für die Nacht. Nun sind es fast 70 km bis Verona. Ziel ist das Frühstück in Bovolone 26 km hinter Verona im Cafe Delicatessen. Das ist ein echter Höhepunkt, bevor die Poebene über Ferrara nach Forli folgt.

In Forli zeigt der Garmin 600 Kilometer an. Es ist heiß, und ich bin platt ganz nach Art der Poebene, wie ich es von vorherigen Fahrten nach Florenz oder Savona kenne. Stärkung am Supermarkt und ein Powernap im Stadtpark müssen her. Tatsächlich bin ich nach dem Nickerchen auf der Steinbank wieder fit und sogar wach.

Jetzt geht es in Richtung Apennin. Klar ist inzwischen, dass wir unsere warme Malzeit vor der zweiten Nacht in einem Ort im Anstieg einnehmen müssen, da es bis Sansepolcro noch zu weit ist. Bei Romangnano auf etwa 500 Meter Höhe kehren wir daher in eine Pizzeria ein.

Beim letzten Büchsenlicht nehmen wir die letzten 300 Höhenmeter des Appennin in Angriff. Die Straße verläuft zunächst rauf und runter. Als wir in die Straße zum finalen Anstieg einbiegen, zeigt ein Schild eine Straßensperrung an.

Da wir keine andere Möglichkeit sehen, fahren wir weiter und hoffen, dass keine unüberwindliche Schlucht unser Vorhaben je beendet. Schilder zählen die Kilometer bis zum Bauzaun runter. Die Spannung steigt.

Am Bauzaun sehen wir Radspuren, die anzeigen, dass hier schon andere umtragen haben. Das tun wir nun auch. Ein paar Steine liegen auf der Straße auf der Seite hinter dem Zaun, aber es lässt sich bis zu einem Geröllfeld von einem Erdrutsch gut fahren. Das Geröllfeld dehnt sich über der Straße aus, ist aber nicht abschüssig. Wir tragen unsere Räder darüber hinweg und können danach wieder fahren, bis wir auf einen zweiten Bauzaun treffen.

Dieser ist zweiteilig. Eine schwere Metallkette verbindet beide Teile in der Mitte. Die Kette hat Spiel, so dass sich beide Teile des Zauns aufziehen lassen wie eine Tür, durch die wir unsere Räder problemlos hindurch schieben können. Geschafft. Oben sind wir zwar noch nicht, aber die Straße ist ab hier gut fahrbar.

Die letzten Höhenmeter sind schnell erledigt. Auf einer kleinen Straße geht es hinab. Sie ist für den Verkehr gesperrt. Nur lokale Radfahrer kennen und befahren sie. Im Dunkeln geht es bei mir jedoch langsam, da die Straße etwas ruppig ist und an manchen Stellen auch Stufen aufweist.

Dann biegen wir auf eine größere Straße und sehen in der Ferne endlich die Lichter von Sansepolcro. Im Zentrum ist noch ein Café offen. Ich nutze das für einen Cappuccino. Es ist bereits nach Eins. 700 Kilometer sind absolviert.

Auf der folgenden Abfahrt ist es ziemlich frisch. Müdigkeit und Höhe wirken sich aus. Wir entscheiden uns für einen weiteren Powernap. Einschlafprobleme gibt es keine. Der Körper ist müde. Wie bei der Einsteinmethode erwache ich nach knapp 20 Minuten.

Dann geht es weiter in Richtung Perugia. In San Martino im Campo hinter Perugia machen wir an einem Café einen Stopp zum Frühstück. Ich gönne mir Cappuccino und zwei Croissants. Bevor die vier Anstiege vor Rom anstehen, gilt es noch, 30 Kilometer nach Todi zu fahren.

Der Straßenbelag verschlechtert sich rapide. Er ist rau mit Rissen und Löchern durchsetzt. Wenn das so bis Rom geht. Gute Nacht. Dazwischen sind glatte Passagen. Der Wechsel erfordert Achtsamkeit. Einfach rollen lassen ist somit nicht. Der Kampf mit der Straße reduziert das Tempo.

Zum Glück wird es hinter Todi ein Stück weit besser. Dafür heißt es jetzt, aufwärts zu fahren. Auch wenn die Höhe im Schnitt bei nur 250 Meter liegt, sind die vier folgenden Anstiege ziemlich anstrengend. Im Talgrund ist es brüllend heiß. Dagegen finde ich die Temperatur oben vergleichsweise erträglich.

Die Hitze macht mich so durstig, dass ich vorm Tiberradweg noch ein kaltes Getränk brauche. Undenkbar ist es für mich, die letzten Kilometer nach Rom so durstig anzugehen. In meiner Radflasche ist nur noch ein kleiner Rest, der warm wie Tee ist.

Nach gut 55 Stunden treffen wir im Zentrum von Rom ein. Für unser Ankunftsbild fahren wir noch zum Petersdom. Von dort ist es zu unserer Unterkunft nicht weit.

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