Ein sommerliches Wochenende Mitte September 2019 lädt uns ein, die Höhen der Großglockner Hochalpenstraße mit dem Rennrad zu erkunden. Für uns bilden sie in der Serie Kaunertaler Gletscher, Stilfersjoch, Gaviapass und Timmelsjoch die Höhepunkte in der diesjährigen Pässesaison. Ein kleiner Rucksack mit dem Nötigsten für die Übernachtung ist mit an Bord.
Die Großglockner Hochalpenstraße erstreckt sich auf 48 Kilometer von Bruck an der Großglocknerstraße über die beiden Gebirgspässe Fuscher Törl (2424 Meter) und Hochtor (Tunnelportal 2504 Meter) nach Heiligenblut und hat Abzweigungen zur Edelweißspitze und zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Sie ist die höchstgelegene asphaltierte Passstraße in Österreich. Hinauf zur Edelweißspitze auf 2571 Meter sind es von Bruck aus 29 Kilometer. In Bruck zeigt der Garmin schon gute 100 Kilometer, als wir nach einem Stopp am Brunnen die Auffahrt in Angriff nehmen.
Die ersten 7 Kilometer von Bruck zur Mautstation Ferleiten sind moderat. Dann beginnt der Aufstiegskampf mit zweistelligen Prozenten, die ein Schild auf 12 Prozent taxiert. Die lange Anfahrt macht sich nun bemerkbar. Am Pifka tanke ich Wasser nach und nehme ein Gel. Das zweite Gel ist mir bei der Aktion offensichtlich abhanden gekommen. 2013 ging es leichter hinauf. Die Anfahrt war kürzer: nicht mal 50 Kilometer. Nach kurzem Überlegen mache ich mich an den Abschnitt zur Edelweißspitze hinauf. Nicht nur Körner sind äußerst knapp geworden. Auch die Brennstoffzufuhr ist längst auf rot und signalisiert Stopp und einfach runterrollen lassen, zumal die Zeit schon weit voran geschritten ist.
Mühsam rolle ich über einen Pflasterstein nach dem anderen. So kommt es mir vor. Oben bin ich über eine Minute langsamer als 2013. Ich drehe oben um den Parkplatz eine Runde und rolle gleich wieder hinunter. Von Niels ist nichts zu sehen. So fahre ich zum Fuscher Törl hinauf, um endlich was gegen meinen Brennstoffmangel zu tun. Oben setze ich mich hin, esse einen Powerbarriegel und rolle zur Fuscher Lacke, dem tiefsten Punkt zwischen Fuscher Törl und Hochtor. Jetzt warte ich, bis wir unseren Weg über das Hochtor nach Heiligenblut gemeinsam fortsetzen können.
In Heiligenblut auf knapp 1300 Meter übernachten wir. Am nächsten Morgen geht es wieder zum Hochtor hinauf. Den Abzweig zur Kaiser Franz-Josef-Hütte lassen wir aus. Der Weg zurück an den Ausgangspunkt bei Kufstein erscheint uns einfach zu weit. Die Auffahrt fühlt sich nach dieser Quälerei zur Edelweißspitze besser als gedacht an. In den oberen letzten knapp 7 Kilometer kommt auch eine gute Zeit heraus, wie ich finde. Es ist sonnig und angenehm warm.
Zwischen Hochtor und Fuschertörl erwartet einen eine ganz eignere Landschaft. Bis dahin ist es weitestgehend ruhig. Danach nimmt uns der sonntägliche Auffahrtsstrom von der Nordseite in Empfang. Sportwagen- und Motorradfahrer nutzen den Nationalpark als Rennstrecke. Ausflügler sind mit dem Auto unterwegs. Dazwischen reihen sich zahlreiche Radfahrer. Zum Glück fahren wir wie gestern, als Traktoren die Hochalpenstraße für sich beanspruchten, antizyklisch. Dass Motorradfahrer ab und an mit gefährlichen Manövern einem auf der Fahrspur plötzlich entgegen kommen, mahnt zur hohen Aufmerksamkeit. Dabei ist der Blick in die hochgelegene Bergwelt rundherum atemberaubend, und ich denke: „Dass ich das hier machen kann, ist ein echtes Geschenk!“
In Summe umfasst die Strecke vom Startort bei Kufstein nach Heiligenblut mit Edelweißspitze und zurück 292 Kilometer und fast 5400 Höhenmeter.